was'n lous?
tedfett
Der Bus nach Pulsnitz

Paula Plischke aus Pieschen sitzt im Bus nach Pulsnitz, um Pfefferkuchen zu besorgen. Ihr Hermann ißt nur Pulsnitzer. Paula Plischke rülpst leise vor sich hin, der Bus schaukelt. Weihnachten ist bald wieder, und das Autoradio " oder heißt es hier Busradio? " quäkt "Stihille Nacht".

Schön wär’s, denkt Paula Plischke, und dämmert dahin, während unter ihr das Getriebe rasselt. Plötzlich gibt es einen Hieb, der Bus schaukelt und sie rollt wie eine Wurst in den Mittelgang.

Warum eigentlich wie eine Wurst? fragt sich Paula Plischke in ihrer Ohnmacht.

Während der Busfahrer den unbekannten, flüchtigen Beteiligten wüst beschimpft ("Du Schwein! Du Hundsfott!") und das Gefährt mühsam zum Stehen bringt, stellen die unversehrten Fahrgäste Mutmaßungen über den Täter an.

"Das war der Honecker!" brüllt einer.

"Wenn, dann der neue Honecker, der Kurt!" ein anderer.

"Du bist wohl von der SED, du Sack?" versetzt ein Schmerbauch.

"Solche Autos fahren doch nur Hohe Tiere. Könige, Zuhälter und so was."

Vielleicht hilft mir mal jemand aus der Kacke, denkt Paula Plischke.

"Vielleicht hilft mal jemand der Frau aus der Kacke!" brüllt der Busfahrer nach hinten.

"Jetzt brüllt er auch noch. Erst setzt er seine Fahrgäste an den Baum fast und dann brüllt er, der Brotfahrer", brüllt ein Fahrgast, der vom Busfahrer nicht eingesehen werden kann. "Komm doch hinter und hilf der selber aus der Kacke. Dafür hab ich nich bisahlt!" Er sagt tatsächlich: bisahlt, wahrscheinlich wegen der Aufregung.

"Ich komm gleich hinter, du", versucht der Busfahrer gegen den Aufrührer anzubrüllen, steht dann aber doch auf, kommt hinter und hält Paula Plischke einen mit Diesel getränkten Lappen vor die Nase.

"Kuck dür das an", sagt eine Dame zu ihrem mitreisenden Hund, "erst brüngt er uns um, dann den Herrn Büdenkopf und schlüßlüch noch dü Dame da. Puh, wü das stünkt."

"Hat dein Köter überhaupt bezahlt, du alte Vettel", brüllt der Busfahrer, "und wo ist überhaupt der Maulkorb?"

"Welcher Maulkorb denn?"

"Der Maulkorb für euch boide!" brüllt der Busfahrer und beginnt plötzlich zu weinen. Ist er weich geworden, oder ist es nur die Wut? Eine Träne tropft Paula Plischke ins linke Auge und " bing " kann sie wieder sehen.

"Gottseidank", schluchzt der Busfahrer, "Sie sind ja in den Gang gerollt wie eine Wurst. Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet."

"Ja, Blutwurst!" brüllt der noch immer nicht einzusehende Fahrgast, aber ihm fehlt nun die Unterstützung der Massen. Der Busfahrer hat wieder die Autorität, die ihm gebührt. Das Blatt hat sich gewendet.

Welches Blatt eingentlich? denkt Paula Plischke und fragt: "Apropos Blatt: Was ist mit meinen Pfefferkuchen?"

"Ich setze Sie direkt vor der Pfefferküchlerei ab, Gnädigste", flüstert der Busfahrer, und alle einsehbaren Fahrgäste klatschen spontan Beifall, erheben sich von den Plätzen und versuchen, den Busfahrer zu berühren.

"Kopf hoch, Alter, vielleicht kriegen wir das Schwein ja noch vor Pulsnitz", versucht der nicht einsehbare Fahrgast die Stimmung gegen den rätselhaften Fahrer des flüchtigen Wagens zu lenken, und es gelingt.

Abends dann knispert Hermann Plischke an seinen nagelneuen Pfefferkuchen herum, während im Fernsehen irgendein Schrott läuft. Paula Plischke aber rülpst leise vor sich hin und denkt an die vielen netten Leute im Autobus nach Pulsnitz.